11. Schwangerschaftswoche

Achja, wie der Schlaf wieder oberflächlich wird, kaum ist der Körper mit Hormonen geschwemmt. Verrückt. Als ich unseren Sohn an Weihnachten 2019 abgestillt habe, ging es einige Monate und ich hatte meinen gewohnten, tiefen Schlaf wieder. Nach 6 Jahren Schwangerschaft und fast ununterbrochenes Stillen. Welch Lebensqualität.

Letzte Woche war ich auf Hebammensuche. Eine Hebamme, welche Hausgeburten begleitet. Die Hebamme, welche ich seit Kindesbeinen an kenne und Frauen ausserhalb des „Systems“ begleitet, geht in Pension im Herbst. Also keine Option. Also rief ich die einzige andere Hebamme in der Region an, die dasselbe anbietet. Aber schon verrückt, auch bei Hausgeburtshebammen unterscheidet sich die Weltanschauung und die Einstellung zum Leben von Grund auf.

Mein tiefster Wunsch schon bei unseren zwei ersten Kindern war schon immer eine Schwangerschaft und Geburt ohne standardisierte, medizinische Kontrollen. Das gelang mir die ersten Male nicht. Zum einen, weil das System sehr stark wirkt, zum anderen, weil ich selbst zuerst noch Glaubenssätze und Überzeugungen loslassen durfte, um Mut zu finden. Mich hat das so einige Zeit gekostet.

Und so haben wir telefoniert, die Hebamme und ich. Und es ging unter anderem darum, wann der erste Ultraschall sein wird und dass es ohne nicht geht, wann meine letzte Periode war, um einen Termin für die erste Untersuchung zu vereinbaren. Und darum, dass sie einige Tage vor dem errechneten Termin im Urlaub ist und ich dann eine andere Lösung haben müsste. Als ich erwiderte, dass falls es so sein sollte, dass das Kind genau dann auf den Weg käme, dass so sein müsste und ich mit meinen Schwestern und Freundinnen gute Unterstützung hätte. Sie meinte, ich könnte doch nicht ohne Hebamme gebären. Wir einigten uns darauf, dass sie bei meiner ehemaligen Hebamme meine Blutwerte holen werde und wir uns wieder hören werden, um einen Termin auszumachen.

Ich spürte Enge während dem Telefonat. Ich sah meine Traumvorstellung von Schwangerschaft und Geburt davonschwimmen. Mein Kopf war schnell, er beschwichtigte mein Herz, sagte, dass ein Ultraschall und einige Blutentnahmen doch kein Ding seien. Tu doch nicht so.

Am nächsten Tag telefonierte ich nochmals mit meiner „alten“ Hebamme. Ich heulte ihr die Ohren voll. Dass ich diesen tiefen Wunsch habe, keine solchen Kontrollen zu machen, wenn ich es nicht fühle und ich es mit dem Verstand nicht erklären könne. Dass ich bei der Vorstellung, dass es diese Möglichkeit nicht geben könnte, mich regelrecht schluchzen lasse. Und dass ich eigentlich keine Alleingeburt möchte, dass aber in Erwägung ziehe, wenn es keine Hebamme gäbe, die mit weniger Kontrolle zurechtkomme. Wir hatten ein gutes Gespräch.

Ich machte mich nochmals auf die Suche nach einer Hebamme. Eine Bekannte von mir, welche selbst 5 Hausgeburten hatte, gab mir dann den entscheidenden Tipp. Ich rief diese Hebamme an. Und wusste, ich bin Zuhause. Keine medizinischen Fragen. Nur die Frage, wieviele Kinder ich denn schon hätte und auf welche Weise sie zur Welt gekommen seien. Und dann die Erklärung, dass sie halt etwas weiter weg wohne und es dann sein könne, dass sie mich und meinen Partner aber anleiten werde, was zu tun sei, weil das Kind dann vermutlich komme, bevor sie da sei. Was aber kein Problem sei, denn Frauen hätten schon immer geboren. Sie versuchte mich zu beruhigen, bis ich erleichtert sagen konnte, dass genau das meine Vorstellung einer Hausgeburt sei. Dass ich gerne eine Hebamme im Hintergrund wissen möchte, ich aber der Meinung sei, dass es auch ohne Unterstützung prima funktionieren könne. Das Einzige, was sie von mir wollte, war meine Adresse. Sie merkte an, dass sie sich nach der 16. SSW melden würde, denn jetzt sei einfach die Zeit um auszuruhen und zu SEIN. Keine Eile, irgendwas zu tun. Wir verabschiedeten uns und ich heulte vor Erleichterung.

Just zu Beginn der 11.SSW bemerke ich, wie meine Energie zurückkommt. Ich merke, dass ich wieder Lust habe, mit Leuten zu plaudern oder Dinge zu erledigen. Gefühlt wage ich mich wieder an den Eingang meiner Höhle, in die ich mich die letzten paar Wochen zurückgezogen habe. Der innere Frühling klopft sachte an. Auch die Übelkeit ist weniger. Es kommt mir der Gedanke einer Fehlgeburt. Die Frage, ob ich mich so schnell erhole, weil das Baby nicht mehr lebt. Und den Impuls, doch einfach einen Ultraschall machen zu gehen, um Sicherheit zu haben. Nur, was hilft das? Dann weiss ich, dass das Baby JETZT lebt, um mich dann einige Tage danach wieder in Unsicherheit zu wähnen. Nein, es wird sich zeigen, wenn es sich zeigen wird. Die Geduld und das Vertrauen, die diese Schwangerschaft von mir fordert, ist nicht nur einfach. Aber es fühlt sich richtig an, dieser Weg. Ich bleibe bei mir. Lausche in mich. Und bekomme natürlich nicht diese Antworten, die so heilend wären. Wie z.B. „Ja, dein Baby lebt.“ Aber das Leben gibt selten Antworten auf diese Weise. Und verstehen tun wir es vor allem rückwärts. Das fühlt sich tröstend an.


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