29. Schwangerschaftswoche

Ich fühl einen unglaublichen inneren Druck. Er ist in der Nacht und morgens am stärksten fühlbar. Er hindert mich daran, ruhig zu schlafen. Da sind Träume, wirre Träume, unruhige Träume. Ich erwache und liege wach. Es ist ein so diffuses Gefühl und doch so klar. Ich weiss, worums geht. Ich fühle mich so verkehrt, am falschen Platz. Obwohl ein anderer Teil in mir genau weiss, dass das nicht stimmt. Aber ich lebe nicht unabhängig von meiner Welt da draussen und aktuell kann ich mir nicht vorstellen, dass das geht. Sich hier verbunden zu fühlen. Und so hab ich ein Bild von mir, an mir wird gezogen, an den Kleidern, an den Armen und Beinen, am Kopf. Und ich würde so gerne SEIN, in mir, bei mir, mit diesem  Baby, dass mich immer wieder in meine Mitte zieht und mir das Gefühl gibt, einfach nur „Sein“ zu wollen.

Um mich herum passiert ein Theaterstück, die meisten scheinen da eine Rolle zu haben und ich stehe mittendrin. Meine Rolle wurde nicht geschrieben. Ich schaue zu, schaue ganz ungläubig, versuche der Geschichte zu folgen, verstehe sie aber nicht (oder würde sie ganz anders erzählen),schüttle den Kopf und schaue immer wieder um mich, um Bestätigung zu finden, dass ich doch am richtigen Ort stehe. Ob ich die Rolle, die sie mir immer wieder anbieten, annehmen soll. Ich weine, während ich das schreibe. Die innere Stimme ist so klar und rein. Ich höre sie, ich weiss was zu tun ist, weiss, welche Rolle ich habe. Und dann geht der Blick wieder nach aussen und sie scheint unmöglich.

Du möchtest vielleicht wissen, wovon ich spreche. Ich werde es dir erzählen.

In mir wächst ein Kind. Ich fühle, dass mit diesem Kind und mir alles in Ordnung ist. Da ist keine Notwendigkeit für eine Kontrolle oder für eine Massnahme, um dies sicherzustellen oder um etwas in diese Richtung zu treiben. Es ist einfach gut. Doch die Welt möchte Kontrollen, Untersuchungen und es ist ein dankendes Ablehnen, immer wieder. Ich muss mich fast verstecken, um nicht dauernd damit konfrontiert zu werden. Seit sechs Jahren beschäftige ich mich mit freier Schwangerschaft und Geburt, habe mich bei unseren ersten Kindern noch nicht so stark „entbilden“ können, um all die Angst und Geschichten, die über dieses Thema erzählt, gefühlt und geglaubt werden, ablegen zu können. Also kommt für mich nun auch nur noch eine Hausgeburt in Frage. Doch mein Partner hat Angst. Er fühlt sich sicherer, wenn da eine Institution ist, Personal, welches gerufen werden kann. Und er möchte einen Kompromiss. Und nicht, dass ich das nicht verstehen könnte. Kann ich absolut. Aber da ist aktuell keine Möglichkeit für einen Kompromiss, da es sich so anfühlt, als verrate ich mich und unser Baby. Und weil der Weg sich so richtig anfühlt.

Denn Mister C macht es nicht einfacher, mit den Systemen in Kontakt zu kommen. Da sind Tests, Impfungen und Zertifikate, Must`s and Don`ts, `eine Regierung, die sich für eine Strategie entschieden hat, die ich so nicht wählen würde und die immer enger wird im Handlungsspielraum. Und ich dennoch verstehen kann, dass sie so gewählt wird, denn wir sind noch weit weg von einer selbstbestimmten Gesellschaft, von Menschen, die die Verantwortung für sich und ihren Körper übernehmen, ja denn überhaupt wahrnehmen, was ihnen guttut und was nicht. Was für Gesundheit nötig ist. Wie die Zyklen des Lebens funktionieren. Das Werden und Vergehen in der Natur dieser Welt ist, unsere Augen vor dieser Tatsache zu verschliessen und sie uns immer wieder mit voller Wucht einholen wird. Und wieder kann ich verstehen, dass andere solche Wege wählen, sogar keine anderen Wege sehen. Und dennoch fühlt es nicht richtig an.

Und dann ist da mein Geschäft, meine Selbständigkeit. Die Idee, dass wir auf unsere innere Stimme hören sollen, wie wir das lernen können, unserem inneren Kompass zu folgen. Und ich nach wie vor so tief überzeugt bin, dass da der Schlüssel liegt. Und doch ist es gerade so eine Ironie, dass ich verleitet bin, „es“ einfach alles so zu machen, wie „man“ es eben macht, um diesem Zerreissfeld zu entkommen, um nicht Position beziehen zu müssen. Und dennoch fühlt es sich so richtig an, meine Kraft und mein Herz in diesen Weg zu investieren.

Und wie es dann gleichzeitig wieder so schreit in mir: „Geh doch einfach nicht immer andere Wege, machs dir doch nicht so schwer. Füg dich ein!“, um dann sofort von der anderen Stimme übertönt zu werden, die ganz ruhig sagt: „Bleib da, wo es sich richtig anfühlt. Fühle.“ Und ich fühle so klar.

Und nun auszuhalten, darin zu bleiben, in dieser dicken Nebelbank, in diesem Zerreissfeld, mich dem Druck hinzugeben, nicht davonzulaufen, harte und vorreilige Entscheidungen zu treffen, erscheint fast unmöglich. Ich wünsche mir so sehr Verbindung und Leichtigkeit und fühle gerade nur Trennung und Schwere. Und doch weiss ich, dass nach der Dunkelheit immer auch wieder Licht kommt. Und dass der nächste Schritt glasklar sein wird, wenn er reif ist. Und Reifen braucht Zeit.

Und nun, was kann ich tun? Meine lieben Freyspiel-Freunde schaffen es in kurzer Zeit, mich daran zu erinnern, was mir hilft. Natur und den Gedanken daran, wie ich dem Aussen wieder mit offenem Herzen begegnen kann. Und natürlich das freye Spiel.

Ich gehe spazieren und male mir ein grosses , offenes, violettes Herz an den Küchenschrank. Ich fühle mich so viel wohler. Ich spüre wieder Vertrauen, dass sich der nächste Schritt zeigen wird, wenn er reif ist.


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